Digitale ID braucht Alltagstauglichkeit und vielfältige Anwendungsmöglichkeiten
Im Rahmen des Projektes ID-Ideal erarbeiten Forschende der HTW Dresden Lösungen für die spezifischen Probleme von Wirtschaft, Handel und Industrie, die beim Einsatz von digitalen Identitäten und Nachweisen in der Realwelt entstehen. Die Ergebnisse des Projektes wurden auf der 2. authenticon Veranstaltung vorgestellt.
Jeder Mensch besitzt im Durchschnitt 70 digitale Identitäten: vom Bankkonto über den Bibliotheksausweis bis zur ÖPNV-Karte. Mit dem Fortschreiten der Digitalisierung stellt sich immer mehr die Frage, wie die Echtheit solcher Identitäten im Netz bewiesen und Vertrauen aufgebaut werden kann. Das gilt nicht nur für Personen, sondern auch für Gegenstände und Organisationen.
Im Forschungsprojekt ID-Ideal der HTW Dresden werden seit drei Jahren ID-Technologien in unterschiedlichen Anwendungsfällen erprobt. Dazu gehören neben dem Sozialpass und dem digitalen Bürgerbegehren in Dresden auch Tickets für den ÖPNV, digitale Produktpässe sowie CO2-Nachweise für regenerativ erzeugten Strom.
Digitale IDs in den Alltag der Menschen bringen
„Das reine Vorhandensein von Technologie löst noch kein Problem“, erklärt der Leiter des Forschungsprojektes ID-Ideal, Dr. Jürgen Anke, Professor für Softwaretechnologie und Informationssysteme an der HTW Dresden. „Es kommt darauf an, wie ich diese Technologie bereitstelle und zugänglich mache, sodass sie ihren Weg in den Alltag der Menschen findet. Faktoren wie die begleitende Kommunikation und der Aufbau von Fähigkeiten sowie die Transparenz und Kontrolle über die Daten bestimmen den Erfolg digitaler Identitäten. Das geht weit über technische Fragen hinaus.“
Kommunen stehen vor der besonderen Herausforderung, dass die von ihnen bereitgestellten digitalen Angebote für alle Bürgerinnen und Bürger zugänglich und nutzbar sein sollten. Mehrere Anwendungsfälle werden aktuell bei ID-Ideal getestet, u. a. die digitale Anmeldung in der Bibliothek Leipzig und der Volkshochschule Leipzig per Leipzig App. Diese Nachweise wurden bisher in unterschiedlichen Apps oder als Plastikkarten verwaltet. In ID-Ideal werden hingegen digitale Brieftaschen (Wallets) eingesetzt. Diese erlauben das Speichern und Präsentieren verschiedener Nachweise auf einheitlichem Weg. Für die unterschiedlichen Anwendungsfälle sind jeweils spezielle Anforderungen zu beachten. Beispielsweise müssen ÖPNV-Tickets kontrollierbar sein und der Dresden-Pass als soziales Instrument soll frei von Stigmatisierung eingesetzt werden können.
Die digitalen Identitäten und Eigenschaften von Personen sind jedoch nicht ausreichend für den Einsatz in der digitalen Welt. Erforderlich sind auch Identitäten für Organisationen und Gegenstände, um Behörden und Shops sicher zu identifizieren und die Eigenschaften von Produkten prüfbar zu machen. Nicht zuletzt müssen auch die Beziehungen zwischen Personen, Organisationen und Gegenständen in Form digitaler Nachweise dokumentiert werden. Dies ist z. B. bei der Anmeldung von Kindern in Kindertagestätten oder der Beantragung von Fördermitteln durch Geschäftsführer von Unternehmen erforderlich.
Bessere Akzeptanz digitaler IDs erreichen
Ein wichtiges Ergebnis des Forschungsprojektes: Damit diese Anwendungen funktionieren und in der Gesellschaft akzeptiert werden, müssen sie im Alltag der Menschen ankommen. „Die digitale Brieftasche muss genauso selbstverständlich verwendet werden wie ein Webbrowser oder Messenger-Apps. Damit das funktioniert, braucht es Regelmäßigkeit und Routine. Es muss also ausreichend Situationen geben, um die Technologie einzusetzen“, erklärt Prof. Jürgen Anke. „Bei unserer Forschung geht es nicht darum, einen Ausweis auf dem Handy zu speichern, sondern darum, wie man sich in der digitalen Welt bewegt.“
Deshalb ist die Erprobung in der Praxis entscheidend, denn sie bietet neue Erkenntnisse zu den Wechselwirkungen von Mensch und Technik bei der Anwendung in einem realen Szenario. Auch gesellschaftliche Fragen stellen sich: Wie viel Verantwortung für seine Daten kann man einem Menschen zumuten? Wie viel Wissen über die digitale Welt (Digital Literacy) ist bei den Bürgerinnen und Bürgern vorhanden? Inwieweit verhindert die Gesetzgebung den sinnvollen Einsatz digitaler Identitäten.
Dazu steht das Projekt ID-Ideal mit Vertreterinnen und Vertretern von Bundesministerien im Austausch. Weiterhin soll die aus dem Projekt heraus entwickelte TrustNet-Initiative breitenwirksam Wissen über den Umgang mit digitalen Brieftaschen vermitteln.
Das Forschungsprojekt ID-Ideal wurde innerhalb des bereits bewilligten Budgets von 14 Mio. Euro bis zum 31. Oktober 2024 verlängert.
Nachwuchsforschungsgruppe SIGNAL und Konferenz authenticon
Parallel zum laufenden Projekt ID-Ideal wurde die Nachwuchsforschungsgruppe SIGNAL gegründet. Sie wird durch den Europäischen Sozialfonds gefördert und soll junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dafür qualifizieren, den digitalen Wandel in Sachsen voranzubringen. Schwerpunkt ist die menschenzentrierte Gestaltung digitaler Angebote für die Daseinsvorsorge in Stadt und Land.
Um den fachlichen Austausch zum komplexen und gesellschaftlich relevanten Thema der digitalen Identitäten zu verbessern, wurde aus dem Projekt ID-Ideal heraus die Konferenzreihe authenticon ins Leben gerufen. Über 70 Vertreterinnen und Vertreter aus Wissenschaft, Wirtschaft, Verwaltung und Politik nahmen an der diesjährigen Veranstaltung am 6. und 7. März in den Räumen der HTW Dresden teil. Unter dem Motto „Digitale Nachweise: Von der Idee zur Innovation“ wurden in zahlreichen Vorträgen und Workshops aktuelle Themen wie User Experience, Regulierung und Verfahren für Datenminimierung diskutiert.
Weitere Informationen zur Forschung zu digitalen Identitäten:
ID-Ideal
Nachwuchsforschungsgruppe Signal
authenticon
Das Projekt ID-Ideal wird gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz.