Frauen in der Wissenschaft: Xhoen Gjashta
Xhoen Gjashta kommt aus Albanien und hat nach dem Bachelorstudium der Chemietechnik an der Hochschule Mannheim im Jahr 2021 den Masterstudiengang Chemieingenieurwesen an der HTWD aufgenommen. Derzeit arbeitet Xhoen in der Nachwuchsforschungsgruppe „SEMUWA - Sichere Entfernung von Mikroplastik bei der Uferfiltration und Trinkwasseraufbereitung in Sachsen“ und plant ihre Promotion.
Ich möchte meinen Beitrag zur Lösung aktueller Umweltprobleme leisten. Während meiner Promotion und darüber hinaus werde ich mich auch für die internationale Zusammenarbeit einsetzen. Denn gerade bei Umweltproblemen sollte man konstruktiv und auf globaler Ebene diskutieren und entsprechend handeln.
Warum hast du HTWD für deine Karriere gewählt?
Die Entscheidung, an der HTWD zu studieren, fiel vor allem aufgrund der Ausrichtung des Masterstudiengangs. Biopolymere und Chemie auf Basis nachwachsender Rohstoffe haben mich direkt angesprochen. Zusätzlich hat mich das breite Spektrum der laufenden Forschungsprojekte beeindruckt. Um nur einige zu nennen: Katalyse, Batteriematerialien, Algenbiotechnologie bis hin zu Biopolymeren und Mikroplastikforschung - alles sehr innovativ und lösungsorientiert. Mein persönliches Ziel war es, parallel zum Studium einen Einblick in die Welt der Forschung zu bekommen.
Wie gefällt es dir in Dresden? Und wie bist du nach Deutschland gekommen?
Ich fand Dresden von Anfang an sehr schön und lebendig. Aber im Vergleich zu vor drei Jahren, als ich nach Dresden kam, ist das Leben durch die politische Entwicklung eher turbulenter geworden. Wenn ich ganz ehrlich bin, macht mir die politische Entwicklung manchmal Sorgen. Aber ich schöpfe Mut aus den vielen Menschen, die sich aktiv für die Demokratie einsetzen und für ein friedliches Miteinander kämpfen. Hier in Deutschland fühle ich mich mittlerweile wie in einer zweiten Heimat. Es hat allerdings eine Weile gedauert, bis ich mich hier wohl gefühlt habe. Als ich nach Deutschland kam, war es für mich einerseits ein Kulturschock und andererseits hatte ich mit Heimweh zu kämpfen. Es war aber sehr motivierend, dass meine Kommilitoninnen und Kommilitonen und die Menschen, die ich im Alltag kennengelernt habe, mich in meiner neuen Umgebung sehr unterstützt haben.
Worum geht es in deiner wissenschaftlichen Arbeit und was hat dich motiviert, eine Karriere in der Wissenschaft anzustreben?
Ich forsche an Methoden zur Analyse von Mikroplastik in Umweltproben und zur Alterung von Mikroplastik. Es hat mir schon immer Spaß gemacht, Dinge kritisch zu hinterfragen und viele Fragen zu stellen. Die Faszination für die Wissenschaft hat mich immer angetrieben und ich habe mich oft gefragt, wie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler komplexe Fragen beantworten können. Während meines Masterstudiums wurde ich als wissenschaftliche Hilfskraft Teil des Mikroplastik-Forschungsteams an der HTW Dresden. Anfangs hatte ich keine großen Erwartungen, da der Job für mich in erster Linie eine Möglichkeit war, mein Studium finanziell zu unterstützen. Es waren jedoch das Arbeitsklima und die Menschen in der Arbeitsgruppe und der Fakultät, die mich jeden Tag aufs Neue motivierten. Durch ihr Engagement, ihre innovativen Ideen und ihr Durchhaltevermögen haben sie mir gezeigt, warum eine Karriere in der Wissenschaft erstrebenswert ist.
Haben bestimmte Vorbilder oder Ereignisse deinen Weg beeinflusst?
Dass ich Ingenieurwissenschaften studiert habe, verdanke ich meiner Mutter, die als Erste in meiner Familie studiert hat. Sie schaffte es ohne Probleme, Ingenieurin in einem stark von Männern dominierten Bereich zu werden. Auf meinem Weg in die Wissenschaft wurde ich stark von Sven, meinem Vorgänger im Mikroplastik-Forschungsprojekt, beeinflusst. Er hat mir gezeigt, dass gute Wissenschaft mit gut durchdachten Fragestellungen beginnt. Durch seine Unterstützung und sein Mentoring konnte ich als Studentin an meinen Aufgaben wachsen.
Über das Studium Chemieingenieurwesen
Studierende befassen sich mit der Umsetzung von Materialien oder Chemikalien im technischen Maßstab. Hierbei bedienen sich Chemieingenieure naturwissenschaftlicher und mathematischer Erkenntnisse, um zu einem funktionierenden, aber auch wirtschaftlichen, sicheren und umweltfreundlichen Verfahren zur Stoffumwandlung zu gelangen. Wer an der Erforschung der Natur, der Entwicklung von Technik und dem Schutz der Umwelt interessiert ist, ist mit diesem Studium gut beraten.
Welchen Herausforderungen bist du, insbesondere als Frau, auf deinem Weg in die Wissenschaft begegnet?
Ich schätze mich als sehr glücklichen Menschen ein. Als ich mein Studium der Chemische Technik begann, waren Frauen in den Hörsälen eher in der Unterzahl. Aufgrund meines Geschlechts habe ich nie an meiner wissenschaftlichen Karriere gezweifelt, da ich persönlich keine Schwierigkeiten in dieser Hinsicht hatte. Dafür bin ich den Generationen vor mir sehr dankbar. Aber im Alltag gab es hin und wieder einen oberflächlichen, stereotypen und unbedachten Witz. Aber ich hatte kein Problem damit, den Leuten zu erklären, warum der Witz peinlich und unklug war.
Wie erlebst du die Themen Gleichstellung und Diversität in der Wissenschaft?
Führungskräften kommt bei der Förderung von Gleichstellung und Vielfalt eine Schlüsselrolle zu. Entscheidungen, die heute getroffen werden, können uns langfristig prägen. Ich bin sehr dankbar, von Professorin Kathrin Harre, der Prodekanin der Fakultät LUC, geführt zu werden. Sie setzt sich immer für eine Arbeitsgruppe ein, in der Geschlecht, Herkunft, Kultur, Religion oder sozialer Hintergrund keine Rolle spielen. Alle Mitglieder werden ernst genommen und Ideen offen diskutiert. Besonders schätze ich die entschiedene Haltung aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegen jede Form von Diskriminierung, sei es auf dem Campus oder anderswo. Das bestärkt mich sehr in meiner täglichen Arbeit.
Welche Veränderungen oder Initiativen würdest du dir wünschen, um die Gleichstellung in der Wissenschaft zu fördern?
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie muss verbessert werden. Dazu ist die Förderung flexibler Arbeitsbedingungen unerlässlich: flexible Arbeitszeiten, Telearbeit und Kinderbetreuungsmöglichkeiten. Frauen stehen oft vor der Entscheidung: Karriere oder Familie. Oft hört man Sätze wie: „Promotion? Ja, lieber jetzt, wenn du bald Kinder haben willst“. Diese Aussage wird aber selten an die männlichen Kollegen gerichtet, als ob sie nicht genauso an der Entscheidung beteiligt wären. Ich wünsche mir, dass es normaler wird, Kindererziehung als gemeinsame Aufgabe beider Elternteile zu sehen und nicht nur als Frauensache. Darüber hinaus sollten die Erfolge von Wissenschaftlerinnen sichtbarer gemacht und entsprechend gewürdigt werden. Dies kann durch Preise oder öffentliche Anerkennung geschehen. Netzwerkprogramme können junge Wissenschaftlerinnen mit erfahrenen Frauen in der Wissenschaft zusammenbringen, den Austausch fördern und die berufliche Weiterentwicklung unterstützen Persönlich wurde ich direkt oder indirekt stark von den Erfolgen meiner Lehrerinnen geprägt. Sie haben mich sehr inspiriert.
Erzähle uns etwas über deine aktuellen Forschungsprojekte. Gibt es bestimmte Entwicklungen oder Fortschritte in deinem Fachgebiet, die dich besonders faszinieren?
Frühere Nachwuchsforschende haben den Grundstein für die Mikroplastikforschung an der HTWD gelegt und dafür gesorgt, dass meine Generation motiviert an diesem Thema weiterarbeitet. Das Netzwerk wächst stetig und die Zusammenarbeit auf nationaler und internationaler Ebene intensiviert sich täglich. Im März 2024 organisierte mein Kollege Lucas Kurzweg den Mikroplastik-Workshop an der HTWD, bei dem wir unter anderem die Ergebnisse all der jahrelangen Forschung vor Unternehmen und Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern präsentierten. Im September 2023 hat sich das Europäische Parlament zur „Verringerung der Verschmutzung von Grund- und Oberflächenwasser“ positioniert und Mikroplastik auf die Liste der Schadstoffe gesetzt, die künftig in der Trinkwasserversorgung untersucht werden müssen. Ich finde es faszinierend, dass wir uns im Forschungsalltag nicht immer bewusst sind, welche Auswirkungen unsere Arbeit haben kann. Wir forschen gemeinsam, unabhängig von Geschlecht, Herkunft und Kultur, faktenbasiert und wissenschaftlich, um globale Umweltprobleme zu lösen.
Was sind deine langfristigen Ziele in der Wissenschaft?
Ich setze mir keine festen langfristigen Ziele, weil ich mich dann eingeengt fühle. Ich entwickle mich jeden Tag weiter und erlaube mir, flexibel zu bleiben und mich nicht an starre Lebenspläne zu binden. Mein aktuelles Ziel ist es, mich im Rahmen meiner Promotion weiterzuentwickeln, einen Beitrag zur Lösung der Kunststoffkrise zu leisten und mein Netzwerk zu erweitern. Die Ziele von morgen können ganz andere sein. Eines wird jedoch konstant bleiben: mein Engagement für den Umweltschutz.
Wie siehst du die Zukunft von Frauen in der Wissenschaft?
Ich bin optimistisch und weiß, dass viel für die Gleichstellung getan wird. Auch wenn der Prozess in manchen Institutionen zäh erscheint, geht es doch voran. Ich glaube nicht, dass sich alles über Nacht ändern wird, aber viele Menschen sind sich der Problematik bewusst geworden und setzen sich aktiv für eine bessere Zukunft für alle ein. Solange der gute Wille überwiegt, sehe ich eine positive Zukunft für uns alle.
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