Brückenbau der Zukunft
Ein Team des Fachbereichs Konstruktiver Ingenieurbau an der HTWD erforscht modulare Fertigteilsysteme, um Brücken schneller, kostengünstiger und nachhaltiger zu errichten.
Zahlreiche Brückenbauwerke in ganz Deutschland sind derzeit in einem schlechten Zustand, vielerorts ist ein Ersatz dringend nötig. Den Großteil machen dabei nicht die riesigen, talüberspannenden Konstruktionen aus, sondern kleinere, kurze Brücken mit Spannweiten von bis zu 30 Metern. Ob groß oder klein – die Bauwerke müssen vor allem standsicher und gebrauchstauglich, der Bau kosteneffizient sein. Auch das Thema Nachhaltigkeit steht zunehmend im Fokus.
„Eines der größten Probleme beim Bau neuer Brücken sind die langen Planungs- und Vorlaufzeiten sowie langwierige Baustellen“, sagt Professor Holger Flederer, Inhaber der Professur Konstruktiver Ingenieurbau der HTW Dresden und Leiter der gleichnamigen Forschungsgruppe. „Modulare Systeme sowie die Verwendung von Fertigbauteilen bieten einen vielversprechenden Ansatz, schneller und kostengünstiger zu bauen.“ Forschende seines Fachbereichs beschäftigen sich seit mehreren Jahren mit diesem Thema.
Um das Grundlagenwissen in die Praxis umzusetzen, entwickelten sie zusammen mit der Hentschke Bau GmbH den Prototyp einer vorgespannten Straßenbrücke mit nichtmetallischer Bewehrung in modularer Bauweise. An Teilen des Forschungsvorhabens wirkte das Institut für Massivbau der RWTH Aachen mit. Es standen ein maximaler Vorfertigungsgrad, besonders kurze Baustellenzeiten sowie der Einsatz von Carbonbewehrung im Vordergrund. Die Korrosionsbeständigkeit und die hohe Festigkeit der Carbonbewehrung bei gleichzeitig geringerem Eigengewicht ermöglichen schlankere Querschnitte.
Erfolgreicher Praxistest
Im Rahmen des Projekts PAMB – Pilotanwendung modularer Brückenbau – wurde eine solche Brücke unter realen Bedingungen getestet. Während der Sanierung von zwei Brücken im Verlauf der vielbefahrenen Bundesstraße 173 diente eine aus Carbonbeton-Fertigteilen bestehende Behelfsbrücke als temporäre Umfahrung. Dafür wurden im Werk von Hentschke Bau in Bautzen fünf 16 Meter lange, mit Carbon bewehrte Träger vorgefertigt – die ersten dieser Art in Deutschland. Per Tieflader gelangten die Module zur Baustelle nahe Freiberg, wo Monteure sie durch Quervorspannung zusammenfügten. Das dauerte nur einen Tag, dann war die Brücke einsatzbereit.
„Diese Lösung ist in mehrfacher Hinsicht innovativ und wegweisend“, erklärt PAMB-Projektleiter Holger Flederer. „Es handelt sich um einen kompletten Fertigbau ohne Betonieren vor Ort, die Längsfugen werden nicht verklebt oder vergossen. Zu den Besonderheiten zählen auch die ausschließlich nichtmetallische Bewehrung sowie der Verzicht auf eine Asphaltdecke.“ Begleitet von einem Permanent-Monitoring floss der Verkehr der Bundesstraße mehr als ein Jahr lang über die Behelfsbrücke. Rund um die Uhr wurden Daten zu Fertigteilzustand, Dehnungsverhalten und Fugen erfasst und per Fernübertragung an die Wissenschaftler übermittelt. „So konnten wir jederzeit verfolgen, wie es unserer Brücke geht“, sagt der Projektleiter. „Sicherheit steht an erster Stelle. Wären bei den Messwerten Abweichungen aufgetreten, hätten wir sofort reagiert.“ Es wurden keinerlei Auffälligkeiten festgestellt – die Brücke bestand den Test. Inzwischen hat sie ihren Zweck erfüllt und wird demnächst an anderer Stelle erneut zum Einsatz kommen.
Konzeption und Planung lagen in den Händen der HTWD. Weil für die neuartige Bauweise noch kein Regelwerk existiert, waren für den Praxistest behördliche Sondergenehmigungen und gesonderte Prüfungen erforderlich. Dass das Vorhaben erfolgreich umgesetzt werden konnte, ist laut dem Projektleiter vor allem der sehr guten Zusammenarbeit mit sämtlichen Beteiligten zu verdanken.
Zukunftsvision: Brücken aus dem Katalog
Mit Fertigteilen lässt sich kostengünstiger, schneller und nachhaltiger bauen, weil langwierige Planungen, Prüfungen und Genehmigungsverfahren in Zukunft wegfallen könnten. All das muss nur einmal im Vorfeld der Serienfertigung erfolgen. Ist dies geschehen, könnten Bauteile für eine neue Brücke – wie aus dem Katalog – unter Angabe der Spannweite kurzfristig bestellt und produziert werden. Aufgrund der modularen Bauweise wäre die Breite variabel. Allerdings müssen die Bauteile so dimensioniert sein, dass der Transport zur Baustelle und der Einbau mit gebräuchlicher Technik zu bewältigen ist. Wird die Brücke nur temporär benötigt, ließen sich die Module problemlos an anderer Stelle erneut verwenden. Weil eine vollständige Carbonbewehrung wie im Projekt PAMB derzeit nicht für alle Belange die beste Lösung ist, bietet sich auch eine Kombination von metallischer und nichtmetallischer Bewehrung an.
Die weiteren Forschungen an der HTWD haben das Ziel, insbesondere beim Bau kleinerer Brücken die Verwendung industriell in Serie gefertigter Bauteile voranzubringen. „Es geht uns darum, weiteres Grundlagenwissen zu schaffen und einsatzfähige bauliche Lösungen zu entwickeln“, erklärt Holger Flederer. „Gleichzeitig wollen wir Baulastträgern die Vorteile aufzeigen, um sie für den Fertigteilbau zu gewinnen.“ Erfolgversprechende Gespräche laufen bereits.
Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.
Weitere Dokumente/ Antragsformulare finden Sie hier: https://www.htw-dresden.de/news
Kontakt
Prof. Dr.-Ing. Holger Flederer
- Z 533
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