Erzählen Sie uns etwas über sich und Ihren Werdegang?
Schon in der Schule habe ich mich sehr für Chemie interessiert. Da ich nicht Lehrer werden wollte, durfte ich kein Abitur machen. Leider gab es 1987 eine große Offensive, zumindest an den Berliner Schulen und auch an meiner Schule, um neue Lehrer zu gewinnen. Und so wurde die Zulassung zum Abitur nur gewährt, wenn man eine Verpflichtung unterschrieb, danach ein Lehramtsstudium zu beginnen. Ich wollte aber unbedingt Chemie studieren und auf keinen Fall Lehrer werden, also habe ich nicht unterschrieben und einen anderen Weg eingeschlagen. Ich entschied mich zunächst für eine Ausbildung zur Laborantin und anschließend für ein Ingenieurstudium in Angewandter Chemie.
Zu Beginn des Studiums kam die Wiedervereinigung und damit die Frage - was wird aus dem Abschluss, den es in Westdeutschland so nicht gab. Ich durfte noch anderthalb Jahre weiterstudieren, eine weitere Diplomarbeit schreiben und hatte dann 1995 meinen Diplomingenieur (FH). Für die zweite Diplomarbeit ging ich an das Institut für Radiochemie des FZ Rossendorf. Dort konnte ich dann drei Jahre in Projekten forschen, bis meine Tochter geboren wurde. Während der Elternzeit habe ich ein kleines Projekt am Institut gemacht, es gab damals ein Programm zur Förderung von Frauen in der Wissenschaft, das es mir ermöglichte, einmal in der Woche zu arbeiten und so den Kontakt zu halten und in der Materie zu bleiben. Dann kam mein Sohn zur Welt und es war klar, dass mit zwei kleinen Kindern und einem Mann, der sich gerade selbstständig gemacht hat, Wissenschaft keine Option mehr ist.
Wie ging es nach der Elternzeit weiter und wie kamen sie zu uns an die Hochschule?
So habe ich nach meiner Elternzeit im ERGO Umweltinstitut Dresden im Labor für Auftragsanalytik angefangen und im Laufe meiner langjährigen Tätigkeit viele Verfahren betreut und die Leitung der organischen Analytik übernommen. Im Jahr 2017 wollte ich mich noch einmal beruflich verändern. Ich wechselte in den Außendienst eines großen Laborhändlers. Da mein Arbeitsplatz zu Hause war, hatte ich ein großes Problem, mich abzugrenzen. Ich habe eigentlich nur gearbeitet und bin dann ein Jahr später schwer erkrankt. Auf dem Jakobsweg habe ich mich neu orientiert und dann eine Stelle in der praktischen Ausbildung von Laborantinnen und Laboranten angetreten.
Meine eigene Ausbildung lag über 30 Jahre zurück und so musste ich mir die Theorie für die praktischen Versuche neu erarbeiten, hatte dafür aber nur den Feierabend und das Wochenende, wusste aber jetzt, dass es so nicht geht. Also habe ich auch damit aufgehört, obwohl das Feedback der Auszubildenden durchweg positiv war. Dann habe ich von einer Freundin die Stellenausschreibung der HTWD bekommen und sofort gedacht, das passt perfekt. Und nach vier Jahren auf dem Campus Pillnitz bin ich immer noch dieser Meinung.
Was war ausschlaggebend für Ihre Entscheidung, Laboringenieurin an der HTW Dresden zu werden?
Die Tätigkeitsbeschreibung und das Anforderungsprofil haben perfekt zu mir gepasst, ich habe nicht mehr die alleinige Verantwortung für den Unterricht, sondern eher eine unterstützende Funktion, das gefällt mir sehr gut. Es ist eine unglaublich abwechslungsreiche Tätigkeit, kein Tag ist wie der andere, das gefällt mir.
Gab es auch Herausforderungen zu meistern?
Die größte Herausforderung war für mich die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ich wollte möglichst viel von der Entwicklung meiner Kinder selbst miterleben und auch finanziell unabhängig sein.
Der Chemieunterricht in der Oberstufe hat meine Begeisterung für das Fach geweckt. Durch die Ausbildung und das Studium wurde dann das Interesse speziell für die Analysentechnik und Analytik geweckt.
Gibt es bestimmte Momente, die Ihre Karriere besonders geprägt haben?
Ich würde sagen, der Chemieunterricht in der Oberstufe hat meine Begeisterung für das Fach geweckt. Durch die Ausbildung und das Studium wurde dann das Interesse speziell für die Analysentechnik und Analytik geweckt.
Welche Unterstützung hatten Sie auf dem Weg zu Ihrer jetzigen Position?
Während meines zweiten Studiums hatte ich ein Stipendium von Reemtsma. Das hat mir sehr geholfen. Ich habe zwar den Bafög-Höchstsatz bekommen, musste aber trotzdem wieder zu Hause wohnen, weil ein Wohnheimplatz davon auf Dauer nicht zu finanzieren war.
Haben Sie sich als Mentorin engagiert?
Ich habe im Rahmen meiner Tätigkeit verschiedene wissenschaftliche Arbeiten von Frauen und Männern unterstützt, das mache ich sehr gerne und freue mich, wenn ich dann zur Präsentation der Abschlussarbeit oder zum Projektabschluss eingeladen werde. Das erweitert meinen Horizont.
Über das Studium Chemieingenieurwesen
Studierende befassen sich mit der Umsetzung von Materialien oder Chemikalien im technischen Maßstab. Hierbei bedienen sich Chemieingenieure naturwissenschaftlicher und mathematischer Erkenntnisse, um zu einem funktionierenden, aber auch wirtschaftlichen, sicheren und umweltfreundlichen Verfahren zur Stoffumwandlung zu gelangen. Wer an der Erforschung der Natur, der Entwicklung von Technik und dem Schutz der Umwelt interessiert ist, ist mit diesem Studium gut beraten.
Wie sind Sie dazu gekommen, in der Rektoratskommission Nachhaltigkeit mitzuarbeiten und was hat Sie dazu motiviert?
Ich wurde dazu eingeladen und da mir die Themen Nachhaltigkeit und Schonung der natürlichen Ressourcen schon lange wichtig sind, habe ich die Einladung gerne angenommen. Ich bin immer für reparieren statt neu kaufen, wenn es möglich ist. Regional ist für mich die erste Wahl. Ich versuche, möglichst alles mit dem Fahrrad zu erledigen. Im Labor waschen wir Einwegplastikprodukte (z.B. Pipettenspitzen und Zentrifugenröhrchen), um sie mehrfach zu verwenden und so unnötigen Müll zu vermeiden. Ich habe auch schon an einem Workshop zum nachhaltigen Labor teilgenommen, um im Kleinen anzufangen.
Was war Ihre Motivation, sich als Gleichstellungsbeauftragte zu engagieren und wie erleben Sie das Thema Gleichstellung an Ihrer Hochschule?
Nach wie vor ist es für Frauen schwieriger als für Männer, eine wissenschaftliche Karriere mit einem Kind zu vereinbaren. Hier würde ich gerne weiter daran mitarbeiten, die Hürden abzubauen. Seit ich selbst Mutter geworden bin, hat sich von politischer Seite schon vieles verbessert. Aber es bleibt noch viel zu tun.
An unserer Fakultät habe ich die Erfahrung gemacht, dass es keine Rolle spielt, ob man männlich oder weiblich ist und woher man kommt, sondern dass bei der Besetzung von Stellen eher die fachlichen Kenntnisse wichtig sind. Ich habe auch das Gefühl, dass es ein Bewusstsein für die wichtige Rolle von Frauen im Team gibt.
Welche Veränderungen oder Initiativen würden Sie sich wünschen, um die Gleichstellung in der Wissenschaft zu fördern?
Spezielle Programme für Doktorandinnen, die Förderung einer längeren wissenschaftlichen Tätigkeit für Mütter, denn in drei Jahren ist es eigentlich nicht zu schaffen, wenn man ein Kind zu betreuen hat. Vielleicht auch Kinderbetreuungsmöglichkeiten auf dem Campus oder in der Nähe, um die Wege zu minimieren und mehr Zeit für die Wissenschaft zu haben. Aber ich sehe die Zukunft für Frauen in der Wissenschaft sehr positiv, es gibt einen breiten Konsens in der Gesellschaft, dass Frauen ein Team bereichern, und es gibt auch heute schon viel Unterstützung.
Mehr Informationen
Weitere Dokumente/ Antragsformulare finden Sie hier: https://www.htw-dresden.de/2408-frauen-in-der-wissenschaft-andrea-schubert